Archive for the ‘filmkritik’ Category

Kubanische Ostern: Filmabend

30. Juni 2019

Kuba und das Kino, das Kino und Paradiesvorstellungen. Wir haben gezeigt, wie Kuba von aussen dargestellt wird, wie es sich selbst darstellt – und wie Paradiesdarstellungen im Kino stets auch politisch sind, nicht nur im Bezug auf Kuba.

 


Cuba
Von Richard Lester
USA 1979; 117 min.

Sean Connery spielt einen britischen Major im Ruhestand, der 1958 von der Regierung Batista beauftragt wird, gegen die Aufständischen um Castro zu kämpfen. Aber nicht einmal James Bond kann die Revolution aufhalten.

Cuba ist ein Spionagethriller des britischen US-amerikanischen Regisseurs Richard Lester. Der wurde einst bekannt für seine Beatles-Streifen (A Hard Day’s Night, Help!), drehte aber auch Abenteuer- und Actionfilme wie Robin and Marian (ebenfalls mit Sean Connery!), drei Msuketeers-Filme und Superman II sowie III.

Lester hat einen schnellen, witzigen Stil (man merkt den Einfluss der Beatles-Filme), und er hat eine einigermassen kritische Einstellung dem Batista-Regime gegenüber, dagegen romantisiert er Castro und seine Anhänger. Aber natürlich ist Cuba ein sehr hollywoodesker Film – so ist die kubanische Revolution kaum mehr als der Hintergrund für ein melodramatisches Liebesdreieck zwischen dem Major, seiner ehemaligen Flamme (Brooke Adams) und ihrem Neuen (Chris Sarandon). Wird die Frau mit dem britischen Major das Land verlassen oder bleibt sie beim leidenschaftlichen kubanischen Industriellensöhnchen? Und wen interessierts? Zum Glück hat der Film einen Haufen Explosionen.

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Mai 68: La chinoise, Barbarella, Erotissimo

21. Mai 2018

Zum dritten Mal hat die Gruppe Konverter dieses Jahr Thementage zu Ostern veranstaltet — nach dem Irischen Osteraufstand 1916 und der Russischen Revolution 1917 ging es diesmal um den französischen Mai 1968. Dafür habe ich einen Kinoabend organisiert, mit drei Filmen, die das politische und gesellschaftliche Klima von damals ausschnittsweise wiedergeben sollen.

 
La chinoise
Von Jean-Luc Godard, Frankreich 1967, 96 min.

Fünf Studierende verbringen den Sommer gemeinsam in einer Wohnung und diskutieren. Sie begeistern sich für den Maoismus oder streiten darum, ob man zum Ziel der Revolution auch Gewalt einsetzen soll.
Godard war 1966 bereits ein Star-Regisseur (seit À bout de souffle 1960 und dem internationalen Durchbruch der Nouvelle Vague) sowie ein Endedreissiger (= alter Sack), als er die Studentin Anne Wiazemsky (damals 19) kennenlernte (Wiazemsky und Godard waren verheiratet von 1967 bis 1979). Über sie fand er Zugang zu den Studentenkreisen in Nanterre, wo im Frühling 1968 jene Unruhen ihren Anfang nehmen sollten (Bewegungen 22. März), die ganz Frankreich und schliesslich Europa packten. Godard begeisterte sich für die Studentenkreise und radikalisierte sich sowohl politisch als auch filmisch. La chinoise ist ein Ergebnis davon.
(Über diese Hintergründe gehts übrigens auch in Michel Hazanavicius‘ Biopic Le redoutable, das auf einem Buch Wiazemskys über ihre Beziehung mit Godard basiert. Ganz lustig und lehrreich, der Film, wenn auch ein bisschen flach — und natürlich vollständig unpolitisch.)
Die Ausgangslage mit den fünf Studierenden ist inspiriert von Dostojewskis Die Dämonen von 1873 (in anderen Übersetzungen Die Besessenen, Böse Geister oder Die Teufel), der von fünf revolutionären Verschwörern im zaristischen Russland handelte. Im Buch wie im Film verkörpern die fünf Hauptfiguren verschiedene Fraktionen, die sich ihre verschiedenen Positionen um die Ohren hauen. So besteht La chinoise denn auch zu 90% aus ausführlichen Dialogszenen, was die Geduld mitunter arg strapaziert. (Die Leute in der Konverter-Garage waren kurz davor, gegen meine Filmauswahl zu rebellieren.)
Aber der Film hat auch seine spielerischen Seiten. Da wird zum Beispiel das Elend der vietnamesischen Bevölkerung dargestellt, indem eine der Studentinnen, auf dem Kopf ein chinesischer Strohhut, von Modell-Flugzeugen angegriffen wird. Oder da wird ein Spielzeugpanzer mit Mao-Bibeln beworfen: Der Kampf kommunistischer Gruppen gegen die reaktionären.
Aus heutiger Sicht läuft es einem bei der allgemeinen Beigeisterung für Mao und dessen Kulturrevolution (die ja 1966 angefangen hatte) mitunter kalt über den Rücken. Wenn eine der Studentinnen (gespielt von Wiazemsky) sagt, wenn sie im Sommer Pfirsiche pflücken gehe, so sei das so, wie wenn in China ein Professor aufs Feld geschickt werde, so würde man ihr am liebsten eine runterhauen.
Aber bei aller Begeisterung Godards für die politische Jugendbewegung scheint auch eine kritische Distanz durch. Der Pfirsich-Spruch kommt, als die Studentin von ihrem Professor (Francis Jeanson, im echten Leben tatsächlich auch ein Professor von Wiazemsky) argumentativ auseinandergenommen wird und sie ihm nur hohle Phrasen entgegenhalten kann. (Freilich hat die Szene auch ein bisschen was von mansplaining. Überhaupt scheint im Film eine gewisse Altväterlichkeit Godards durch.) Überhaupt sind die fünf Studierenden bald völlig untereinander zerstritten. Es kommt zwar zu einem Anschlagversuch, der geht aber komplett in die Binsen. Am Ende räumen die Studenten die Wohnung (die sie von den Eltern einer Freundin für die Sommerferien bekommen haben) und kehren zurück in ihre gutbürgerliche Existenz. Die Revolution zerfällt an inneren Streitereien, an der Realität und an der Bequemlichkeit der Studierenden. Also hat La chinoise vieles an der 68er-Bewegung (und ihrem Scheitern) vorweggenommen.
(Ob es wohl daran liegt, dass Godards Filme in den Studentenkreisen nicht nur begeistert aufgenommen wurden?)
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