Archive for the ‘Fragen ans Proletariat’ Category

Fragen ans Proletariat: Raumpfleger Klementinos Y. Secic

17. Oktober 2015

Tapetentüren zum Unheimlichen: Der österreichische Raumpfleger Klementinos Y. Secic hat in vierzehn Tagen ein Tausendzimmerhaus gereinigt. Jetzt will er sich das Putzen ein bisschen abgewöhnen.

Herr Secic, Ihr letzter Job war in einem Malergeschäft, Ihr neuer Job in der Psychiatrie. Hegen Sie eine besondere Faszination für solche Gebäude oder sind das einfach besonders fruchtbare Arbeitsorte?

Das sind sie bestimmt. Es ist wie bei einer Temporäranstellung: Wenn man in vierzehn Tagen alles erledigen muss, neigt man dazu, wirklich alles zu erledigen. So ähnlich ist es mit der räumlichen Beschränkung des Jobs. Wenn man ein Haus hat, muss man darin bei einer Generalreinigung alles putzen, wie es die Geschäftsleitungim Arbeitsvertrag vorschreibt. Abgeschlossene räumliche Verhältnisse sind befreiend. Und sie verleihen dem Putzenden den Gestus einer vollständigen Reinigung der Welt. Der nächste Job, an dem ich jetzt arbeite, ist sogar noch enger beschränkt, noch kapsulärer, kann man das sagen?

Warum nicht? Ja.

Kapselhafter. Abgekapselt. Am Ende putze ich wahrscheinlich Räume wie das Büro von Hubert Selby, wo ein Mensch allein wie in einer Zelle sitzt. Andererseits muss man auch nicht immer so selbstähnlich sein und seiner eigenen Tendenz sklavisch nachlaufen. Man muss ja nicht immer erfüllen, was man selber an Programmen in sich hat.

Sie haben immer in Graz gelebt?

Ja, seit ich aus Mostar geflüchtet bin. Es ist keine Tugend, und ich würds auch nicht empfehlen. Ich glaube, es ist eher ungesund für die Seele, wenn man immer am selben Ort ist. Aber so ist es jetzt halt. Ich langweile mich da auch witzigerweise nicht mehr. Ich weiss nicht, wie die Stadt das macht, aber es scheint immer irgendwas zupassieren. Das Glück dabei ist, dass in Graz das ganze Universum enthalten ist. Sowie der Chef ja immer betont, dass in unserem Unternehmen die ganze Welt drin sei.

Ich habe gehört, Sie seien ganz ohne Religion aufgewachsen.

Ja, der Glaube hat in meinem Leben nie eine Rolle gespielt. Meine Eltern haben das nie erwähnt. Aber man kriegt das schon mit im Quartier, wo ich aufgewachsen bin. Natürlich, das Umfeld war katholisch, man spürte schon die Macht der katholischen Kirche.

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Fragen ans Proletariat: Bäckermeister Anton Kornjin

1. Oktober 2015

Willkommen zu unserer neuen Interviewreihe „Fragen ans Proletariat“. Bäckermeister Anton Kornjin sprach mit uns über die legendären Brötchen von Peter Augendobler und die Bedeutung des Wallholzes.

Weshalb ein Brot mit Ballaststoffen?

Viele Leute denken, „Ballaststoffe“ seien etwas Kundenfernes. Dabei geht es mehr um den Bäcker Peter Augendobler, der Grundmischungen für Brot macht, der im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht – in diesem Fall ein dunkles Semmel. So was ist mir viel näher, ein Weissbrot ohne Salz hätte ich nicht backen wollen.

Sie haben selber Brote wie Baguette oder St. Galler Halb-Weiss gebacken. Wie nahe ist Ihnen Peter Augendobler?

In Gefühlsdingen ist er mir fern, in seiner Arbeitsweise ist er mir nah. Als ich ein junger Bäcker war, kannte ich ihn kaum. Aber damals er hat Brot für Leute aus einer bestimmten Umgebung gemacht, und ich hatte einen ähnlichen Zugang zur meiner Bäckerei. Ein nostalgischer Stil, bei dem man trotzdem Dinge arrangiert. Man schmeckt an seinen Brötchen, wie Innsbruck in den 50er- und 60er-Jahren gerochen hat, das ist toll.

Mit seinen dunkeln Semmel hat Augendobler dazu beigetragen, dass aus Volkornbrötchen Standardgebäcke wurden. Haben Sie als Bäcker ähnliche Erfahrungen gemacht?

Mit 18 habe ich in Holland bei einem Konditor gerlernt der eine kleine Bäckerei hatte. Wir sind mit dem Zug von Dorf zu Dorf gefahren. Dann hat er eine Grossbäckerei aufgemacht und wurde zum grössten Brot und Kuchenhersteller im Land. Ab dann haben alle Brote wie er gebacken, er war nicht mehr Teil meines speziellen Projekts. Da hat sich etwas verschoben. In der Backstube sagt der Lehrling auch zum Meister: «Ich helfe dir.» Und der Meister antwortet: «Aber ich helfe doch dir.»

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