Ja, und schon das Ende. (Was heisst hier schon? Diese letzte Szene wartet schon länger auf ihre Veröffentlichung und gehört eigentlich hier mit dazu.)
Nochmals zur Erinnerung: Beton wurde damals 2003 in Zürich uraufgeführt, im Kulturhaus RATS.
Als nächstes gibt es dann den „Aufstand der Huren“.
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(Die Schenke, jetzt umgebaut zu einem Gefängnis. Zu den Türen stehen Wärter, an je einem Tisch sitzen die Gefangenen in normaler Kleidung: Klaus, Berthold, ein alter Mann, die Gemüsehändlerin, der Zoowärter; an einem seperaten Tisch sitzen Horst, verkohlt, und die Frau mit einem Messer im Bauch.)
Frau: Wie lange sitzen wir jetzt schon?
Berthold: Spielt Zeit denn eine Rolle?
Frau: Nein, ich dachte nur –
Berthold: Glaubst du deine Zeit verfliegt schneller wenn du sie kennst?
Frau: Nein, aber –
Horst: Lass die Kleine in Ruhe, sie ist ja schon tot.
Berthold: Dann soll sie ihre Klappe halten, so wie ihr Mörder. Der sitzt wenigstens still in der Gegend rum.
Klaus: (sieht kurz zu ihm rüber, sagt dann aber nichts)
Horst: Hör doch auf uns zu nerven!
Berthold: Ruhe, du Leiche!
Horst: Du wirst auch noch auf dem Schaffott landen!
Berthold: Na und, wenigstens kann ich von mir behaupten mich eingesetzt zu haben.
Horst: Bloss weil es in einem amtlichen Parteibuch steht etwa?
Frau: Haltet beide die Klappe, ich habe Magenschmerzen.
Horst und Berthold gleichzeitig: Schnauze!!
Gemüsehändlerin: (steht auf) Ich verkaufe Freiheit, wer will Freiheit?
Klaus: (hört hin, dreht den Kopf) Du verkaufst Freiheit?
Horst (zu Berthold): Er sucht immer noch danach.
Berthold: Idiot.
Gemüsehändlerin: Ja, für zwei Mark fünfzig.
Klaus: Das kann nicht Freiheit sein, die einen Wert wie Salat hat.
Gemüsehändlerin: Nein, aber man fühlt sich freier.
Klaus: Ich verzichte.
Gemüsehändlerin: Gut. Wer hat der hat schon. Freiheit! Freiheit!
Zoowärter: Für mich bitte einmal. (zückt seine Börse) Darf ich ihnen eine interessante Geschichte erzählen?
Klaus: Bloss nicht, untersteh dich, Wärter, oder ich dreh dir die Gurgel um. (der Zoowärter schluckt seine Freiheit und grinst vor sich hin)
Alter Mann: (zu Klaus) Gut hast du nicht davon gekauft. Man wird süchtig danach und gehört ihnen dann.
Klaus: Mich dürstet nach Freiheit, doch ich lass mich nicht betrügen. Steht doch Alle miteinander auf, lasst uns aufstehn und rausgehn!
Alle anderen: Niemals!
Alter Mann: Du kannst uns nichts vormachen, wir wollen hier bleiben.
Klaus: Aber warum denn bloss?
Alter Mann: Weil es nunmal so ist.
Klaus: Warum habt ihr aufgegeben?
Horst: Weil ich tot bin.
Frau: Weil ich nicht anders kann.
Gemüsehändlerin: Weil ich mich nicht drum kümmere.
Berthold: Weil ich nur so zum Märtyrer für die gute Sache werden kann.
Zoowärter: Weil ich Affen so gern hab.
Alter Mann: (er enttarnt sich) Weil es nunmal so kam. Ich war der Ober dieses Lokals. Ich versagte, und muss nun meine Strafe abbüssen.
Klaus: Wie versagtest du?
Alter Mann: Ich wirtschaftete falsch und geriet auf die falsche Bahn. Nun werde ich hier drinnen geläutert.
Gemüsehändlerin: Freiheit!
Klaus: Schaut euch an, ihr die tot seid und ihr die ihr noch lebt, wie sehr ihr euch gleich seid. Die Gruften wurden zu belebten Plätzen und unsere Plätze zu Gruften, so ist die Einigkeit von Leben und Tod gleichgültig von Statten gegangen.
Alter Mann: Ist nicht jeder Schritt im Leben ein Schritt zum Tod?
Klaus: Sicher, aber ist er nicht auch eine Bestätigung des Lebens?
Alter Mann: Nicht hier und heute. Die Jugend lebt sich aus, verlebt sich für sich allein; das Alter schaut zornig zurück und neidet der Jugend ihr Leben, ihren Anfang, ebenfalls für sich allein.
Klaus: Traurig. Alle reden über das Leben doch keiner tut es. Das Leben offenbart sich dort am Ehesten wo man es verschweigt.
(Gerhard tritt auf, im Richtergewande, und stellt sich vor Alle auf)
Gerhard: Ruhe im Gerichtssaal!
Klaus: Gerhard!
Gerhard: Herr Richter, auch für Sie.
Klaus: Gerhard, erkennst du mich nicht?
Gerhard: Vor Gericht sind alle gleich, ohne Unterschied. Alle Bande sind zerstört und ohne Bedeutung.
Gemüsehändlerin: Freiheit!
Klaus: Du kannst doch für mich bürgen, Gerhard, du weißt, wie es um mich besteht.
Berthold: Schaut ihn an, wie er mit dem Gericht schäkert, dieses Schwein!
Zoowärter: Dieser Aff! (lacht)
Gerhard: Ruhe, die Herren, wir kommen nun zur Verhandlung.
Klaus: Aber Gerhard!
Die Anderen: Lass ihn, es nützt nichts.
Gerhard: Noch so eine Ruhestörung und ich mache kurzen Prozess.
Horst: Herr Richter, ich bin doch schon tot, warum urteilt man dann noch über mich?
Gerhard: Auch Tote tragen noch Verantwortung.
Klaus: Gerhard, was ist mit dem freundschaftlichen Schwur? Ging der drauf für deinen Lohn bei Schicklgruber?
Gerhard: Genug. Gerichtsdiener, bereiten sie den elektrischen Stuhl vor. (einer der Wärter ab)
Klaus: Ist dies dein letztes Wort, Gerhard?
Gerhard: Das Gericht hat gesprochen. Im Namen des Volkes ergeht dieses Urteil.
Gemüsehändlerin: Freiheit!
Klaus: Bin ich denn nicht auch Volk? Was wagst du es als mein Fürsprecher mich zu verurteilen!
Gerhard: Ruhe. Noch einen letzten Wunsch?
Klaus: Ich möchte einmal auf betonfreiem Boden stehen und zum Himmel raufschauen.
Berhold: (lacht)
Gerhard: Ruhe, hab ich gesagt. Wir kommen später vielleicht auf diesen Wunsch zurück. Bereitet alles vor zur Exekution.
Klaus: Verräter!
Alter Mann: Grämen sie sich nicht. Es nützt doch nichts mehr.
Klaus: Ich will mich aber aufregen.
Alter Mann: Sterben sie nicht im Zorn, treten sie nicht im Zorn vor ihren Schöpfer.
Klaus: Mein Schöpfer. Sie glauben es gibt ihn?
Alter Mann: Oh ja, es muss ihn geben, sonst hätte nichts hiervon einen Sinn.
Klaus: Bereitet alles zur Exekution vor!
Gerhard: Noch gebe ich hier die Befehle! Bereitet alles zur Exekution vor!
Klaus: Mein Schöpfer. Na der wird jetzt aber einiges zu hören kriegen.
(Vorhang.)
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